Ausgabe 04.24
Reiner Schwarz: »Geld« – Folge von vier Farblithografien
von Hermann Büchner
Eigentlich würde es die Werkgruppe der subtilen Interpretationen zum Thema »Geld«, deren vier Blätter sich vollständig im Bestand der Sammlung Haupt befinden, gar nicht geben: Die den Künstler seinerzeit beauftragenden Direktoren der Bank für Gemeinwirtschaft mochten nicht, was er ihnen an Entwürfen vorlegte, und zogen sich aus dem Auftrag zurück. Schwarz sicherte sich das Recht, die Blätter zu vollenden. Nach anfänglicher Pause setzte er die Arbeit fort, experimentierte mit Druckfarben und Bildelementen. So gibt es diverse Farbvarianten, Zustandsdrucke der Motive – zwei davon in höherer Auflage für eine Mappe mit Originalgrafiken des Leipziger Verlagshauses Philipp Reclam.
Im Gespräch mit dem in Berlin lebenden und arbeitenden Künstler war Gelegenheit, Aspekte der außergewöhnlichen Entstehungsgeschichte zu hinterfragen.
»Die Bank für Gemeinwirtschaft trat Anfang der 80er Jahre an mich heran, für ihren Rechenschafts- oder vielleicht auch Jahresbericht eine Folge von Farblithografien zu erarbeiten, um sie darin abzubilden. Für besondere Kunden waren Originale vorgesehen, die von meinen bearbeiteten Platten gedruckt werden sollten. Diese Auflage, auf 300 Exemplare begrenzt, wäre vierfarbig auf ca. 5000 Druckvorgänge hinausgelaufen, ein für mich auf meiner Handpresse nicht zu bewältigendes Unternehmen. Wir kamen überein, dass diese Farblithografien im Druckhaus E. A. Quensen, Lamspringe, ausgeführt werden sollten.
In einem Gespräch mit dem dafür verantwortlichen Direktor der Bank erfuhr ich, dass sie als Gewerkschaftsbank gegründet worden war, um das Geld der Mitglieder zu verwalten und zu sichern. So konnte ich mir erklären, dass meine realistische Darstellungsweise auch sozialkritisch bewertet werden konnte und gut in das Bild der Bank passte.
Nach etwa einem Jahr wollte man in Frankfurt sehen, was mir eingefallen war und ich schickte ihnen zwei schon sehr weit ausgearbeitete Arbeiten als Probedrucke. Die Reaktion dort war aber negativ. Ich wurde gefragt, ob ich nicht einzelne Details wegnehmen und alles positiver gestalten könnte. Vielleicht meinten sie in der Arbeit ‚Das frugale Mahl‘ die trostlose Situation einer alten Frau mit einem leeren Blechteller, einem Kanten vertrocknetes Brot und einem zerknüllten 5 DM-Schein, oder bei dem anderen Litho eine mit einem DM-Geldschein beschwerte Goldwaage über einem Mädchen in Trance vor einer WC-Szenerie mit graffitibeschmierten Kachel-Wänden. Das klingt hier krass, war aber sehr sauber gezeichnet. (…)
Ich konnte und wollte mich mit der Bank nicht einigen. Der Vertrag war in jedem Fall zu ihren Ungunsten formuliert, wie mich ein befreundeter Jurist aus Hamburg aufklärte. Aber ich wollte die Rechte an diesen Lithografien behalten und wir einigten uns auf die Hälfte des Honorars. Allerdings merkte ich danach, dass mir auch die Freude an diesen Arbeiten genommen worden war, ich arbeitete zunächst nicht weiter daran.«
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