Stiftung&Sponsoring – Teil 54

Ausgabe 04.25:
Alicja Kwade: Treibwerk (2013)
von Tina Sauerländer (Marseille) und Hermann Büchner (Berlin)


Mehrere Werke im Bestand der Geldkunstsammlung Haupt reflektieren in Form von überarbeiteten Münzen oder künstlerischen Medaillen-Kreationen in differenzierter und betont aufs Dingliche fokussierter Weise das Thema „Geld“. So unterscheiden sich beispielsweise die Kunstgeld-Editionen der Art Reserve Bank (vorgestellt in Ausgabe 2.22 und 2.24), das Ensemble inhaltlich umgewidmeter Kupfer-„Münzen“ von Germaine Koh (Ausgabe 1.25) oder Andor Orands „Quadratmark“ und „Squared Quarter“ von der hier vorgestellten Arbeit Alicja Kwades.

Die im polnischen Katowice geborene, in Berlin lebende und arbeitende Künstlerin beschäftigt sich mit der Konstruktion von Wirklichkeiten. Für sie sind die „gesellschaftlichen Vereinbarungen, mit denen man feststellt, ob etwas einen bestimmten Wert hat oder nicht […] genau so konstruiert wie eine Realität – man glaubt an sie.“ (Interview mit Antje Stahl, 15.11.2010, zitiert nach: stilinberlin.de/2010/11/interview-alicja-kwade.html, 26.06.2014)
Kwade hinterfragt diese konstruierten Werte, in dem sie bestehende Objekte verändert und auf ihre historisch-kulturellen Hintergründe verweist. In ihrer 2013 entstandenen Arbeit „Treibwerk“ treffen die beiden bedeutungsvollen Konstrukte von Zeit und Geld aufeinander. Acht Euromünzen mit unterschiedlichen Nennwerten sind rhythmisch auf einem Blatt Papier horizontal aufgereiht. Ihre Rändelungen wurden in Zahnräder als Symbol für Zeit verwandelt, die nun fest ineinandergreifen. Allerdings drehen sie sich nicht mehr wie ein Triebwerk einer Uhr, sondern haften statisch auf ihrem Untergrund. Es herrscht Stillstand. Zeit ist laut Albert Einstein relativ sowie abhängig von Raum und Bewegung. Das Wortspiel des Titels könnte darauf hinweisen, dass Geld nicht (mehr) Motor oder Antrieb im positiven Sinne darstellt, sondern zu einem System geworden ist, von dem die Menschheit getrieben und gejagt wird. Welchen Wert haben die bearbeiteten Münzen ohne ihre Rändelung noch? Normalerweise erhöht diese die Lesbarkeit der Geldstücke für Menschen mit eingeschränkter Sehfähigkeit oder auch von Park- oder Zigarettenautomaten. Die veränderten Münzen sind für beide Zwecke ungeeignet und wurden ihrer Funktion enthoben. Früher dienten Rändelungen als eine Art Diebstahlschutz: So konnte man bei einer Goldmünze leicht erkennen, ob jemand ein Stück abgeschliffen hatte. Da heute der Materialwert weitaus geringer als der Nennwert einer Münze ist, entfällt auch dieser Zweck. Der Nennwert der Münzen entlarvt ihre Konstruiertheit. Wir glauben an ihn, damit das System funktioniert. Wie beziffert man hier nun den Wert der Münzen? Ihr Wert kann nur ein künstlerischer sein, der den Nennwert wohl bei weitem übersteigt. „Treibwerk“ ist noch bis Ende August 2025 in der Ausstellung der Sammlung Haupt „Holy Dirty Money – DENKSTAHL“ beim Verband Deutscher Bürgschaftsbanken in Berlin zu sehen.


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Abbildung:
Alicja Kwade: Treibwerk, 2013, acht Münzen, auf Papier montiert, gerahmt, 36 × 29 cm, Unikat in einer Serie von 8 + 2 Künstlerexemplaren (AP) · © Alicja Kwade, Werkaufnahme: Hermann Büchner

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