​Stiftung&Sponsoring – Teil 30

Ausgabe 4/2021
Jürgen Schieferdecker: adoramus …? (1978)
von Hermann Büchner (Berlin)

Mit der im Hochdruckverfahren auf Polyester ausgeführten Collage des Dresdner Künstlers, Architekten und Hochschullehrers Jürgen Schieferdecker befindet sich in der Sammlung Haupt eine – nicht nur in drucktechnischer Hinsicht – außergewöhnliche Arbeit.

1978, als nach dem Plan der politisch Bestimmenden die Gesellschaft der DDR in ihr ›entwickeltes‹ Stadium eintreten sollte, wagte der Künstler eine hintersinnige Persiflage auf die götzengleiche Verehrung des Geldes: der ideologierelevant in Anspruch genommene, sinnträchtig auf dem ostdeutschen 100-Mark-Schein abgebildete Karl Marx ›thront‹ gottvatergleich über einem vergleichsweise geringen Betrag in DM (West) – als Bindeglied das Motiv der betenden Hände nach Albrecht Dürer.
Im alltäglichen Leben war die westdeutsche Währung ein begehrtes Objekt der Begierde, mit der die Bürger auf dem Schwarzmarkt exklusive Erzeugnisse einkaufen oder im Intershop bezahlen konnten. Wer nun wen oder was anbetet (so die wörtliche Übersetzung des Werktitels) und zu welchem Umtauschsatz auf dem seinerzeit illegalen Geldmarkt – das mag sich der (heute) amüsiert-nachdenkliche Betrachter selbst erschließen. Zudem: ist die ›Anbetung‹ ernst gemeint? Der Künstler hat ein Fragezeichen gesetzt.

Jürgen Schieferdecker (geboren 1937 in Meerane bis 2018, gestorben in Dresden) war nach dem Architekturstudium, unter anderem bei Karl-Heinz Adler und Georg Nerlich an der Technischen Hochschule Dresden, künstlerisch als Maler, Grafiker und Objektkünstler sowie Architekt und Hochschullehrer tätig.
Bereits in den 60er Jahren hatte sich Schieferdecker in politischen Grafiken, Assemblagen und Collagen – die unter anderem in Havanna und Tokio ausgestellt wurden – kritisch mit den gesellschaftlichen Umständen und Verwerfungen in seinem Land auseinandergesetzt. Bekannt war er außerdem für seine großplastischen Objekte im architektonischen Kontext, wie z. B. der »Ulbrichtschen Kugel« (1984), benannt nach dem Ingenieur Richard Ulbricht, vor dem Willersbau der Technischen Universität Dresden.

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