Ausgabe 6/2020 Virginie Mossé: Urbi et orbi (Christus mit Amex)
von Hermann Büchner (Berlin)
Für mehrere Arbeiten im Bestand der Geldkunst-Sammlung Haupt spielt die Einbeziehung von Licht eine wichtige Rolle und macht das signifikante Merkmal dieser Werke aus. Diese können aus Leuchtmitteln direkt montiert worden sein, wie beim »$« von Mathieu Mercier (vorgestellt in Ausgabe 02/2020), oder aber das Objekt entfaltet seine Wahrnehmbarkeit, indem es angeleuchtet wird – so im Falle der analogen Holgramme von Dora Tass, von denen sich eines im Sammlungsbestand befindet und demnächst in dieser Reihe besprochen wird.
Virginie Mossé wiederum nutzt Leuchtelemente in der subtilen Form der Hinterleuchtung. Sie führt kurz dazu ein:
»Das Thema dieser Arbeit, nach dem Gemälde von Hans Memling (* zwischen 1433 und 1440 – 1494) ›Segnender Christus‹ aus dem Jahr 1478, umrahmt die Machtposition des Geldes als neue Spiritualität bzw. als Segnender. Hier widerspiegelt sich ein heutiges Phänomen, nämlich die Strategie des Marktes, eine ganze Symbolik, Patrimonien der Vergangenheit zugunsten des Kapitalismus auszunutzen. Das Abbild des ›Segnenden Christus‹ von Memling wird zu einem Zeichen und trivial umgedreht in Form einer Werbestrategie, welche sich der Rezeption sofort als Bank-Werbung darbietet. Ich zeige hier die Banalisierung von Symbolik und kulturellen Werten.
Auf einer anderen Ebene wird die Beziehung zwischen Kunst und Geld betont, im Sinne der Produktion, der Bestellung, vom Sammler bis zur Kunstmesse.«
Virginie Mossé, geboren 1977 in Frankreich, studierte von 1998 – 2001 an der Ecole supérieure des Beaux Arts de Cornouaille Quimper, Frankreich, und von 2002 – 2004 an der Akademie der Bildenden Künste Karlsruhe bei Prof. Kaminski. Sie lebt und arbeitet in Berlin.
Mossé hat sich hier für einen recht gewagten Umgang mit einem Inbegriff der christlichen Ikonografie entschieden, indem sie das Motiv vom Tafelbild Memlings gewissermaßen auf einen Leuchtkasten montiert, was man durchaus als Bedeutungssteigerung interpretieren kann: Heiligkeit und Erleuchtung werden gemeinhin als zwei verwandte Aspekte angesehen. Umso drastischer, wenn auf den ersten Blick auch eher unscheinbar, ist nun die Metapher, dem Dargestellten zeitepochenübergreifend eine American-Express-Kreditkarte zwischen die Finger zu schieben. Dass dieses Element von der Künstlerin absichtsvoll in die Farbstimmung des Gemäldes umgefärbt wurde, macht das Ganze eher noch delikater, denn rein von der visuellen Wahrnehmung her wird sie gar nicht als Fremdkörper empfunden.