Wolfgang Nieblich: Die Kasse ist im Moment nicht besetzt (1994)
von Tina Sauerländer und Hermann Büchner (Berlin)
Geld ist ein Schwerpunktthema im Schaffen des 1948 in Reutlingen geborenen, in Berlin lebenden und arbeitenden Künstlers, der mit mehreren Arbeiten* im Bestand der Sammlung Haupt vertreten ist. Allen gemein: die humorige und hintersinnige Beschäftigung mit dem Thema unter Verwendung von gefundenen Materialien, die der Künstler überformt und arrangiert.
Nieblichs Interesse an alltagssprachlichen Gepflogenheiten mit besonderem Hinblick auf das Thema Geld kommt auch bei seiner hier näher vorgestellten Arbeit »Die Kasse ist im Moment nicht besetzt« zum Ausdruck. Es handelt sich um einen abgenutzten weißen Hocker, auf dem ein Teller mit Kleingeld steht und ein Schild mit der titelgebenden Aufschrift. Hier wird eine Form der ›Kasse‹ nachgebildet, wie sie oftmals in öffentlichen Toiletten aufzufinden ist. Nur die Signatur des Künstlers am Stuhlbein offenbart die Bedeutung als Kunstwerk. Das Wort Kasse wirkt irritierend, da der zu entrichtende Obolus für das Reinigungspersonal gemeinhin als eine freiwillige Spende angesehen wird, deren Höhe man selbst festlegen kann. Mit dem Hinweis, dass die Kasse im Moment nicht besetzt ist, wird der Augenblick beschrieben, in dem man als Benutzer der Örtlichkeit überlegt, ob man nun ein bisschen Kleingeld für die Dienste des Personals übrig hat, oder den Raum doch lieber unbemerkt verlässt.
Die ›unbesetzte Kasse‹ bietet nicht nur Ansatz unterschiedlicher Interpretationen, die ein auf Kunstrezeption vorbereiteter Betrachter haben mag, sondern regt zugleich zum praktischen Handeln an. So weiß Stefan Haupt von einem Handwerker zu berichten, der sich den Hocker als Tritt für Arbeiten im Deckenbereich des Flurs in der Kanzlei des Sammlers ›ausgeliehen‹ hatte – und erst nach einem Hinweis über dessen Wert ungläubig gewahr wurde, das es sich dabei um den Teil eines Kunstobjekts handelt(e).