Neu in der Sammlung: »1000 Plateaus« von Matthias Krinzinger


Der erste Blick mag täuschen.
Doch bei dem neu in den Bestand der Sammlung aufgenommenen Objekt handelt es sich
nicht um eine Mappe mit profanen Kontoauszügen, sondern um ein spezielles Künstlerbuch
des 1982 in Innsbruck geborenen und heute dort und in Wien lebenden Künstlers. Blättert
man die 150 Seiten der abgehefteten Bank-Belege durch, fällt auf, dass die Geldbewegung
stets den Betrag von 1 Cent abbildet: mal Soll, mal Haben.
Gleich hinter Deckblatt und Schmutztitel wird einleitend erläutert und zugleich auch der Titel erklärt:

»Matthias Krinzinger eröffnete drei Konten bei verschiedenen Banken. Zwischen den Konten wurden Daueraufträge mit dem Wert von einem Cent eingerichtet. Als Verwendungszweck dienten Zitate aus ›1000 Plateaus‹, dem zweiten Band von ›Kapitalismus und Schizophrenie‹ von Gilles Deleuze und Felix Guattari [Originaltitel: ›A Thousand Plateaus. Capitalism and Schizophrenia‹, 1980 – d. V.]. Dieser mit Literatur infizierte Kapitalfluss, der effektiv kein Kapital umschichtete, aber viele Stunden Arbeit bedeutete, war bisher nur dem Künstler und einigen Bankangestellten am Schalter und in der Bearbeitung bekannt.«
Und weiter hießt es im Text von Franz Schuh:
»Zu dem, was die Welt im Innersten zusammenhält, gehört heute die Überweisung. Wer kein Konto, also keine Adresse für die Überweisung besitzt, existiert beinahe nicht. Aber dafür, dass die Überweisung von solcher Bedeutung ist, wird sie allzu kühl, rein automatisch vollzogen. Man könnte sagen, die Überweisung ist, gemessen an ihrer Bedeutung, schizophren. Die Schizophrenie hebt die Intervention, mit der der Künstler Matthias Krinzinger die Überweisungsscheine ausfüllt, ansatzweise wieder auf.

Krinzinger bringt die Banken dazu, Worte aus ›Kapitalismus und Schizophrenie‹ mit zu überweisen, und erinnert so an die Bedeutung, die der formale Überweisungs-Automatismus unterschlägt.«

In geistiger
Verwandtschaft zur Langzeit-Aktion der Leipziger Professorin Christin Lahr »MACHT
GESCHENKE: DAS KAPITAL« wird auch von Matthias Krinzinger das Geld-Kreislauf-Prinzip
aufgegriffen und zugleich persifliert. Doch ist der Unterschied auffallend. font-family:Verdana;mso-bidi-font-family:Verdana“>Lahr überweist seit 31. Mai 2009
täglich 1 Cent an das Bundesministerium der Finanzen, im Verwendungszweck jeweils
108 Zeichen aus »DAS KAPITAL – Kritik der politischen Ökonomie« von Karl Marx, und
dokumentiert den Transfer mittels Screenshot-Ausdruck (Nr. 1025 und 1075 befinden
sich im Sammlungsbestand).



font-family:Verdana;mso-bidi-font-family:Verdana“>Hingegen bietet Krinzinger uns
die Sammlung blätter- und lesbarer Seiten an.



font-family:Verdana;mso-bidi-font-family:Verdana“>Bei dieser Lektüre entfalten die
dem »1000 Plateaus«-Band entnommenen Zitate, besser müsste man sie wohl als Text-Versatzstücke
bezeichnen, eine irritierende Eigendynamik – noch dazu im Kontext der hier und da
eingestreuten geschäftstechnischen Hinweise z. B. auf AGB-Änderungen der beteiligten
Banken.

Das Ganze beschreibt der Künstler
rückblickend wie folgt:



font-family:Verdana;mso-bidi-font-family:Verdana“>»Die Daueraufträge habe ich jeweils
am Bankschalter eingerichtet, manche Bankbediensteten fanden das Projekt lustig,
vielen war es egal, wenige machte es wütend. So auch einen Angestellten der Raiffeisenbank.
Diese kündigte mir in Folge das Konto. So war der Kreis (eigentlich die zwei Kreise)
durchbrochen, das Projekt beendet.«

weiterlesen in diesem bebilderten PDF

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